Agile Historie und Prinzipien
Den Begriff Scrum hat wohl inzwischen jede Führungskraft im Bereich der Produktentwicklung schon mal gehört. Man verknüpft ihn gerne mit der Softwareentwicklung und weiß vermutlich auch, dass mit iterativem Vorgehen Vorteile in der schnelllebigen VUCA-Welt gewonnen werden können. Dass sich Scrum inzwischen auch bei der Entwicklung von mechatronischen Produkten bewährt hat, dürfte hingegen vielen Entwicklungsleitern noch nicht vollständig bewusst sein. Und die wenigsten werden wohl wissen, dass Scrum bzw. agiles Arbeiten genau dort, also bei Entwicklung physischer Produkte, seine Ursprünge hat.
Die Wurzeln von Scrum
Die Wurzeln agiler Entwicklung lassen sich nicht eindeutig zuordnen. In der Literatur werden unterschiedliche Beiträge zitiert, die bei der Entstehung eine Rolle gespielt haben. Bei zwei markanten Ereignissen sind sich aber alle Quellen weitgehend einig, dass sie die Agilität entscheidend beeinflusst haben. Zum einen die Entwicklung des Kampfjets P80 bei Lockheed Martin im Jahr 1943. Und zum anderen die Veröffentlichung „The New New Product Development Game“ von Hirotaka Takeuchi und Ikujiro Nonaka im Harvard Business Review in 1986. Interessant ist, dass beide Ereignisse ihren Schwerpunkt in der Entwicklung mechatronischer Produkte hatten. Der Fokus auf die Software-Entwicklung wurde erst in den späten 90er-Jahren durch Jeff Sutherland und Ken Schwaber ausgeprägt.
Der iterative und inkrementelle Ansatz
Im Jahr 1943 erhält Kelly Johnson, ein Konstrukteur des Rüstungsunternehmens Lockheed Martin den Auftrag, einen neuen Kampfjet innerhalb von 180 Tagen zu entwickeln. Um dieses Ziel zu erreichen, benutzte Johnson eine Reihe innovativer Methoden. Er ließ alle erforderlichen Spezialisten in einem Raum – es war ein Zelt – zusammenarbeiten. Diese Spezialisten durften ihre Arbeit selbst organisieren und waren in regelmäßigem Kontakt mit den Nutzern des Kampfjets, also den Kunden. Außerdem wurden die bürokratischen Störungen bei der Entwicklung minimiert. Das Ergebnis war, dass der neue Kampfjet P80 in 143 Tagen fertiggestellt wurde.
Die NASA und IBM waren die ersten großen Unternehmen, die in den 1950er die IID-Methode (Incremental Interativ Development) systematisch einsetzten. Mit iterativer Teamarbeit und anschließenden Review-Phasen, in denen der Änderungsbedarf festgestellt wurde, waren die Grundzüge von Scrum definiert. Verstärkt und verfeinert wurden diese Ansätze in den 80er- und 90er-Jahren durch Forschungen und Erkenntnisse zum organisationalen Lernen. Beispielhaft sei hier das Buch „The Fifth Disciplin – The Art und Parctice of the Learning Organisations” von Peter M. Senge genannt.
Der Rugby Approach
Ein weiteres wichtiges Ereignis war die Veröffentlichung „The New New Product Development Game“ von Hirotaka Takeuchi und Ikujiro Nonaka im Harvard Business Review in 1986. Beide hatten sechs Produktentwicklungsprojekte untersucht und dabei die Überlegenheit des von Ihnen bezeichneten „Rugby-Approach“ über den traditionellen Wasserfall-Ansatz herausgearbeitet. Dort wurde zum ersten Mal der Begriff: „Moving the Scrum downfield“ geprägt. Die Ergebnisse dieser Studie waren letztlich die Grundlage für das von Jeff Sutherland und Ken Schwaber im Jahre 1995 auf der OOPSLA Konferenz vorgestellte Framework, das sie in den Jahren zuvor gemeinsam entwickelt hatten. Dass dieses Framework auf dem Rugby-Approach aufgebaut war erklärt dann auch, warum sie einen beim Rugby benutzen Begriff als Pate für den Namen gewählt haben: SCRUM.
Damals wurden sechs Erfolgsfaktoren identifiziert:
- Inhärente Instabilität
- Selbstorganisierende Projektteams
- Überlappende Entwicklungsphasen
- Multilernen
- Dezente Kontrolle
- Organisationales Übertragen des Gelernten
Das agile Manifest
Agile Entwicklungsmethoden gehen also auf erfolgreiche Hardware-Projekte zurück, wurden aber Mitte der 1990er Jahre in der Softwareentwicklung entscheidend weiterentwickelt. 2001 trafen sich 17 Softwareentwickler in Snowbird (Utah, USA) und drückten ihre gemeinsamen Ideen und Vorgehensweisen im agilen Manifest aus. Diese vier Grundsätze bilden auch heute noch das Fundament agiler Vorgehensweisen und lassen sich auf Hardware- und Softwareentwicklung gleichermaßen anwenden:
- individuals and interactions over processes and tools
- working software over comprehensive documentation
- customer collaboration over contract negotiaton
- responding to change over following a plan
© 2001, the Agile Manifesto authors
12 agile Prinzipien
Weiter ausformuliert wurde das agile Manifest mit 12 Prinzipien. Nachzulesen unter:
https://www.agilealliance.org/agile101/12-principles-behind-the-agile-manifesto
Empirische Prozesskontrolle
Agile Entwicklungsmethoden eignen sich für komplexe Geschäftsfelder und Projekte besser als klassische Wasserfallprozesse und Projektmanagement-Methoden. Komplexe Geschäftsfelder und Projekte sind durch eine hohe Unsicherheit hinsichtlich ihrer Markt- und Kundenanforderungen und der technologischen Lösungen gekennzeichnet. Unter diesen Umständen ist eine empirische Prozesskontrolle der definierten Prozesskontrolle überlegen. Durch eine schnelle Abfolge des Regelkreises: Transparenz erzeugen, Entwicklungsergebnisse inspizieren und Lösungen adaptieren kann Kundenfeedback zum momentanen Entwicklungsstand eingeholt und technische Machbarkeit abgesichert werden. So kann schnell auf sich ändernde Kundenbedürfnisse reagiert werden. Unsicherheit wird kontinuierlich abgebaut und ein marktgerechtes Entwicklungsergebnis bei gleichzeitig hoher Entwicklungsqualität erreicht.
Agile Prinzipien gehen zurück auf erfolgreiche Hardware-Projekte
- Bereits im Jahr 1943 wird erstmals ein inkrementelles und iteratives Vorgehen bei der Entwicklung eines Kampfjets beschrieben.
- In den 80er-Jahren wurden von Hirotaka Takeuchi und Ikujiro Nonaka sechs erfolgreiche komplexe mechatronische Entwicklungsprojekte untersucht.
- Dabei wurden sechs Erfolgsfaktoren identifiziert, die heute noch die Grundlage agiler Entwicklung sind.
- Später wurden agile Methoden in der Softwareentwicklung angewendet.
- Das agile Manifest beschreibt vier Grundsätze agiler Entwicklung aus denen 12 Prinzipien abgeleitet wurden.
- Die empirische Prozesskontrolle ist der definierten Prozesskontrolle bei komplexen Geschäftsfeldern und Projekten überlegen.