Gilden in agilen Teams
Zu einer konsequenten Implementierung von agilem Arbeiten gehört, dass Scrum-Teams co-located arbeiten - also in einem gemeinsamen Raum. Bei der Entwicklung mechatronischer Produkte werden damit Spezialisten aus ihren Fachgruppen herausgelöst, um bei ihren Projektteammitgliedern zu sitzen. Entscheidender Erfolgsfaktor: Der gemeinsame Projektfokus. Nachteil: Der Austausch innerhalb einer Fachdisziplin wird deutlich schwieriger. Mögliche Lösung: Die Bildung von Gilden. So geht neben dem Projektfokus auch der Fachfokus nicht verloren.
Scrum-Teams sitzen zusammen
Scrum Teams verfügen über alle Ressourcen, die sie brauchen, um das gewünschte Produkt zu entwickeln. Jedes Team ist interdisziplinär besetzt und die Mitglieder setzen sich aus allen Fachdisziplinen zusammen, die für die erfolgreiche Produktentwicklung notwendig sind.
Daneben ist es wichtig, dass ein Scrum-Team co-located ist. Das heißt, alle Mitglieder sitzen zusammen im selben Raum oder auf derselben Fläche. Die Vorteile liegen auf der Hand oder besser in der Nähe, denn: Eine enge Zusammenarbeit wird so erleichtert und die Kommunikation verbessert. Besonders positiv wirkt sich das auf die Absprachen zwischen offiziellen Meetings oder Events aus. Erfahrene Entwickler wissen, dass der Bedarf dazu bisweilen groß ist.
In dem Augenblick, wenn die ersten Scrum-Teams in einem Unternehmen an den Start gehen, hat das zur Konsequenz, dass Fachspezialisten wie z.B. Konstrukteure aus ihrem bestehenden Verbund – meist einem Konstruktionsteam – herausgerissen werden, um bei seinen Projektkollegen zu sitzen. Mit dieser Maßnahme wird der Fokus auf den Projekterfolg deutlich gesteigert. Die Scrum-Team-Mitglieder identifizieren sich deutlich mehr mit ihrem Projekt.
Der Fachfokus leidet
Es hatte aber durchaus seinen Sinn, dass die Konstrukteure (oder natürlich auch andere Fachdisziplinen) in einem Verbund saßen. So wurde der Austausch innerhalb dieser Disziplin gefördert, es wurden Standards gesetzt und vor allem konnten erfahrene Spezialisten neue Fachleute an die Hand nehmen.
Die Möglichkeiten dazu werden durch die Co-Lokalisation im Projektteam deutlich eingeschränkt. Aus Unternehmenssicht sind diese Aspekte aber wichtig und dürfen keineswegs vernachlässigt werden. Das geht sogar so weit, dass oft dieser fehlende Austausch innerhalb des Fachbereichs als Grund dafür angeführt wird, die Projektteams nicht dauerhaft zusammensitzen zu lassen. Das ist allerdings ein trügerischer Fehlschluss, denn es gibt eine einfache, bewährte Methode beides unter einen Hut zu bekommen. Einerseits den enormen Vorteil, der durch ein eng zusammensitzendes Scrum-Team entsteht und andererseits die Möglichkeit des bedarfsgerechten Austauschs innerhalb einer Fachdisziplin auf Basis agiler Grundsätze.
Gilden als Brücke zwischen Projekt- und Fachfokus
Eine Gilde – auch CoP (Community of Practice) genannt – ist ein teamübergreifender Zusammenschluss von Interessenten an einem Thema. In der Regel sind das Fachdisziplinen wie beispielsweise bei schon o.g. Konstrukteuren. Aber auch andere Interessengruppen können sich zusammenschließen. Beispiele dafür sind Digitalisierungsgruppen oder Architekten für eine Produktfamilie, die aus mehreren Fachbereichen kommen könnten. Letztlich entscheidet der Bedarf, wo sich Gilden bilden.
Spielregeln für den Erfolg
Für solche Gilden gibt es Spielregeln, die fördern sollen, dass zum einen die Gilde in ihrer Arbeitsweise zu den agilen Teams passt und zum anderen, dass die gewünschten Ergebnisse erzielt werden.
Gilden …
- … sind wie ein Scrum-Team hierarchiefrei. Das heißt, es gibt keine „Berichtslinien“.
- … haben einen Leader – einen Gildenmeister, oder Guild Leader. In diese Rolle könnte idealerweise ein anerkannter Spezialist gewählt werden oder aber es wird ein Leader durch das Management benannt. Soweit ein Scrum-Team-Mitglied diese Rolle übernimmt, muss die Kapazität für diese Aufgabe bei der Sprintplanung berücksichtigt werden. Der Gildenmeister übernimmt die Fachverantwortung für ein spezielles Thema und hat damit fachliche Entscheidungsbefugnis zu Themen, die nicht innerhalb der Gilde zu einer einvernehmlichen Lösung geführt werden kann.
- … organisieren sich selbst. Jedes Gildenmitglied kann sich gleichermaßen Themen einbringen und bei Entscheidungen mitwirken. Damit hat jedes Teammitglied Einfluss auf die Agenda und stellt sicher, dass die Gilde nicht zu einem „Palaver-Gremium“ wird.
- … haben (auch) eine Standardisierungsfunktion – soweit notwendig und sinnvoll. Die Festlegung von zum Beispiel Konstruktionsstandards oder auch der Einsatz von CAD-Tools kann natürlich nicht jedem Scrum-Team überlassen werden. Aus Unternehmenssicht ist es sinnvoll, diese Themen übergreifend festzulegen. Das kann zum Nachteil einzelner Teams, aber unter Abwägung aller Argumente trotzdem sinnvoll sein.
- … treffen sich regelmäßig und die Kapazität dafür wird in der Sprintplanung berücksichtigt. Die Teilnahme an den Gildentreffen ist für die Teilnehmer verpflichtend.
- … organisieren (gemeinsam mit den Führungskräften) das teamübergreifende fachliche Coaching von jungen oder neuen Fachleuten in den Scrum Teams. Dies ist insbesondere dann erforderlich, wenn in dem entsprechenden Team kein weiterer (geeigneter) Spezialist aus dieser Fachdisziplin ist, der die Coachingaufgabe übernehmen könnte.
Gilden als Bereicherung neben agilen Teams
In unseren Projekten rund um die Agilisierung haben wir - die Berater von CO Improve - schon viele Gilden eingeführt und sie in ihrer ersten aktiven Phase gecoacht und unterstützt. In allen Fällen ohne Ausnahme wurden diese Gilden als sinnvolle Bereicherung empfunden. Sie füllen das Loch, das engagierte Fachleute wahrnehmen, wenn sie ihren Fokus komplett auf den Projekterfolg legen. Aber es ist durchaus eine Herausforderung, eine Gilde so zu implementieren, dass sie das agile Arbeiten ideal unterstützt und nicht als hierarchisches Relikt aus der „alten Organisation“ wahrgenommen wird. Genau an dieser Stelle ist professionelle Unterstützung sehr hilfreich und äußerst erfolgversprechend. Sprechen Sie uns gerne an.
Ihr Nutzen
- Sie verlieren durch die Bildung von Scrum-Teams nicht den Fachfokus.
- Die teamübergreifende fachliche Weiterentwicklung von relevanten Themen wird sichergestellt.
- Auch unerfahrene Spezialisten in Scrum-Teams erhalten Unterstützung in ihrer Fachdisziplin.