Die Kraft des Working Agreements
Mechatronische Produkte werden fast immer im Team entwickelt. Die Zusammensetzung der Mitglieder ist interdisziplinär und verändert sich über den Produktentstehungsprozess. Diese Dynamik verursacht häufig, soweit sie nicht sauber gesteuert wird, Effizienzverluste zum Beispiel durch zu hohe oder zu geringe Auslastung einzelner Mitarbeiter. Außerdem braucht jedes Team klar definierte Regeln für die Zusammenarbeit, um eine Grundlage dafür zu haben, gute Ergebnisse zuverlässig und zum geplanten Termin zu erarbeiten. Aber wie schafft es ein Team, unter den sich verändernden Rahmenbedingungen, die notwendige Klarheit für die Zusammenarbeit zu erhalten? Ein wichtiger Beitrag dazu kann ein Working Agreement sein, das etappenweise angepasst wird.
Eine abgestimmte Kapazitätsplanung
Einer der wichtigsten Themenbereiche ist die Kapazitätsplanung. Diesen Teil des Working Agreements kann das Team natürlich nicht vollständig allein entscheiden. Hier bedarf es einer Abstimmung mit den Führungskräften. Das Vorgehen ist dabei so, dass zunächst eine Einschätzung durch das Team erfolgt, welcher Kapazitätsbeitrag von welchem Teammitglied in der nächsten Planungsphase – wir sprechen hier gerne von einer Etappe – erforderlich ist. Mit dieser Einschätzung geht das jeweilige Teammitglied auf den Vorgesetzten zu und klärt, ob die gewünschte Kapazität im Einklang mit anderen zu bearbeitenden Projekten zur Verfügung steht.
Diese Klärung kann verschiedene Inhalte haben. Es kann einfach darum gehen, dass ein Mitarbeiter z.B. mit 70% der Arbeitszeit im Team gebraucht wird und die Führungskraft die Arbeitsauslastung für diese Person so steuern muss, dass die Aufgaben außerhalb des Teams maximal 30% Kapazität brauchen. Daneben kann es darum gehen, dass für bestimmte Aufgaben Personen benötigt werden, die aber namentlich noch nicht definiert sind. In diesem Fall geht jemand aus dem Team – im agilen Team der Scrum Master in klassischen Teams meist der Projektmanager – auf den betroffenen Bereich zu und stimmt ab, wer die Aufgaben übernehmen kann.
Da dies ein zweistufiger Prozess ist – zunächst klärt das Team den Kapazitätsbedarf und danach wird dieser mit den Führungskräften abgestimmt – wird er idealerweise in zwei kurz aufeinander stattfindenden gemeinsamen Runden abgestimmt. Natürlich kann das Ergebnis der Abstimmung auch sein, dass das Team einen Kapazitätsbedarf hat, den die Führungskraft aufgrund von Restriktionen nicht erfüllen kann. Dann ist zumindest Klarheit für alle Beteiligten gegeben, dass dieser Fall vorliegt. Die Auswirkungen daraus werden sich zumindest im Terminplan niederschlagen. Oft entstehen daraus auch konstruktive Diskussionen über alternative Lösungen, wie zum Beispiel eine mögliche Fremdvergabe.
Die innere Organisation des Teams
Neben diesem abgestimmten Kapazitätsgerüst gibt es aber weitere wichtige Themenbereiche, zu denen ein Team im Working Agreement Vereinbarungen treffen muss. Unter anderem muss die gemeinsame Teamarbeit organisiert werden. In agilen Teams betrifft das die Organisation der Events bzw. des Backlog Refinements. In nicht oder teilagilen Teams muss zunächst geklärt werden, welche regelmäßigen, gemeinsamen Meetings eingeplant werden und wann diese stattfinden.
Mit Blick auf die oben erwähnte Kapazitätsplanung sollte das Team auch festlegen, wer an welchen Meetings bzw. Events teilnimmt. Es macht natürlich keinen Sinn, dass ein Teammitglied, das nur 30% für ein agiles Team arbeitet, an allen Events teilnimmt – die ja bekanntlich rund 20% der Arbeitszeit in Anspruch nehmen. Hier muss das Team organisieren, wer wo teilnimmt und wie die nicht teilnehmenden Personen am Informationsfluss teilhaben können. Das geht in der Praxis meist unkomplizierter als man denken würde.
Wenn wir in diesem Kapitel von EINEM Team sprechen, haben wir dabei einen nicht selten bei der Entwicklung von mechatronischen Produkten erforderlichen Schritt aus Vereinfachungsgründen weggelassen. Oft sind an der Entwicklung mehr Menschen beteiligt, als sinnvoll in einem Team zusammenarbeiten können. Die Grenze liegt hier bei ca. 11 Personen. Wenn mehr Menschen (fest) in einem Team zusammenarbeiten, sollte die Arbeit in zwei oder mehr Teams aufgeteilt werden. Im agilen Umfeld spricht man dabei von skalieren, aber auch in klassischen Teams gibt es ähnliche Ansätze.
Dieser Vorgang kann relativ komplex sein. Hier ist es bei weniger erfahrenen Teams von Vorteil sich durch eine externe Beratung Unterstützung an die Seite zu holen. Das Ziel dabei ist immer, Teams mit maximal 11 Mitgliedern zu definieren, die weitgehend selbständig agieren können und wenige Schnittstellen mit geringer Komplexität zu den anderen Teams haben. Auch diese Festlegung wird im Working Agreement getroffen. Denn oft gibt es zahlreiche Möglichkeiten, ein großes Team in mehrere kleine Teams aufzuteilen. Dabei hat jede Teilungsform Vor- und Nachteile. In diesem Fall ist es wichtig, dass alle Betroffenen verstehen, warum die gewählte Struktur zum Einsatz kommt. Der Buy-In der einzelnen Teammitglieder ist hier ein wichtiger Erfolgsfaktor.
Entscheidungsfindung im Team
Nachdem die Kapazitätsfragen geklärt sind und das Team seine Zusammenarbeit organisiert hat, sollten noch zu einigen weiteren Themenbereichen Vereinbarungen getroffen werden. Ein Bereich ist die Frage, wie Entscheidungen im Team getroffen werden. Das betrifft insbesondere agile Teams, da diese meist weitgehend selbständig agieren. Aber auch nicht agile Teams sollten abstecken, welche Entscheidungen im Team getroffen werden und wie das erfolgt. Es ist wichtig hierzu Klarheit zu schaffen, um das Verantwortungsbewusstsein der Teammitglieder zu stärken. Denn nur wer weiß, an welcher Stelle sie oder er einen Beitrag zu Entscheidung leistet und in welcher Form das geschieht, wird sich mit vollem Engagement auch dort einbringen.
Weitere Themen im Working Agreement
Letztlich kann es insbesondere für agile Teams noch Themenbereiche geben, zu denen Vereinbarungen getroffen werden müssen. Zum Beispiel wie das DoD (definition of done) oder das DoR (definition of ready) festgelegt wird. Ob es nötig ist, dazu eine Abstimmung zu treffen, entscheidet am besten das Team.
Es kann aber auch um die Frage gehen, ob das Team einen gemeinsamen Arbeitsbereich hat und wann darin gearbeitet wird. In der Praxis gibt es nicht selten Konstellationen, wo ein Arbeitsteam an ganz bestimmten Wochentagen seinen Arbeitsplatz wechselt, um auf einer gemeinsamen Fläche (co located), die eigens für das Team geschaffen wurde, zusammenzuarbeiten. Ob das sinnvoll und möglich ist, kann ebenfalls in einem Working Agreement beschlossen werden.
Wenig Aufwand, hoher Nutzen
Neben den genannten Themenbereichen steht es dem Team offen, selbst festzulegen, wozu es Vereinbarungen treffen will. Wichtig ist, das Team in die Position zu bringen, eigenverantwortlich zu agieren und die Entscheidungen verbindlich zu treffen. Dadurch entsteht eine hohe Verlässlichkeit untereinander. Man spricht hier von einem hohen Commitment.
Es ist erstaunlich, welche Kraft in einem Working Agreement stecken kann. Die Klarheit und Verbindlichkeit, die mit dieser Vereinbarung erreicht wird, wirkt sich immer positiv auf die Effizienz des Teams aus. Um zu einem guten Ergebnis zu kommen, empfiehlt es sich, besonders wenn man noch nie ein Working Agreement abgeschlossen hat, den Prozess durch einen erfahrenen Berater (agile Coach) moderieren zu lassen. Der Aufwand ist nicht hoch, aber der Nutzen kann ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das gesamte Projekt sein.
Unsere CO Improve Berater besitzen langjährige Erfahrungen aus zahlreichen agilen Transformationen und können diese Expertise auch in Ihren Veränderungsprozess einbringen. Es zahlt sich aus, gerade am Anfang die richtigen Schritte im Neuland zu gehen. Gerne unterstützen wir Sie bei der Auswahl eines geeigneten agilen Piloten, dem Aufsetzen ihres Teams sowie bei der späteren Umsetzung.
Ihr Nutzen
- Ein Working Agreement bringt Klarheit im Team und ist ein "echter" Effizienztreiber
- Eine Kapazitätsplanung ist ein Schlüssel für ein hohes Commitment
- Eine Entscheidungsfindung im Team stärkt das Verantwortungsbewusstsein
- Eine Starthilfe durch einen erfahrenen agile Coach zahlt sich aus