Systems Engineering: In Funktionen denken - „Wie bringe ich Strom zum Leuchten?“

Systems Engineering (SE) ist mehr als nur auf der Höhe der Zeit angekommen. Warum ist das so? Als einen Hauptgrund für die zunehmende Relevanz ist eine zunehmende Vernetzung und Einbettung von Systemen, die eine ganzheitliche Herangehensweise erfordert. Hier trägt das Systems Engineering bei den Entwicklerteams – geprägt durch ihre individuellen Disziplinen aus Software- und Hardware-Anteil – dazu bei, ein gemeinsames Systemverständnis zu erlangen. Die Entwicklung komplexer mechatronischer Produkte kann in der heutigen Zeit oft nicht mehr oder nur schwer über das reine Herunterbrechen in eine Produktbaumstruktur der Komponenten erreicht werden. Die Betrachtung des Systems als Ganzes und in seinen Funktionszusammenhängen ist ausschlaggebend.

Bild News Expertentalk Dr. Walter Koch 900x600
Abbildung: Foto: Dr. Walter Koch (Vorsitzender der GfSE), Dirk Meißner (Geschäftsführender Gesellschafter CO Improve), Christoph Seeberg-Elverfeldt (Berater CO Improve)

Systems Engineering als künftiger Erfolgsfaktor

Viele Industrieunternehmen – darunter Vorreiter wie die Automobilindustrie - setzen schon länger auf die Vorteile beim Systems Engineering. Inzwischen hat aber auch der Mittelstand beispielsweise im Maschinen- und Anlagenbau die Erfolgsfaktoren identifiziert. Mit Hilfe von Systems Engineering können Unternehmen bei der Produktentwicklung die steigende Komplexität managen, ist sich Dr. Walter Koch sicher. Davor steht für ihn jedoch die Frage, ob die Betroffenen sich auch aus dem Korsett alter Paradigmen befreien können und in Systemen denken. Koch ist seit einigen Jahren Vorsitzender der Gesellschaft für Systems Engineering (GfSE) und hat unsere Managementberatung für leistungsstarke Produktentstehung zu einem informellen Austausch besucht – im Mittelpunkt: Systems Engineering.

Beim Systems Engineering handelt es sich zunächst und vor allem um eine Sichtweise auf das Produkt beziehungsweise auf das System und seine Umwelt. Und: Diese steht nicht im Widerspruch zum V-Modell, sondern ergänzt dieses und kann die Entwicklung mithilfe bereits bestehender oder dafür optimierter Prozesse unterstützen.

Das Profil eines Systems Engineers

Doch wie spielt Systems Engineering seine Erfolgsfaktoren aus? Neben den Leitplanken eines geeigneten Entwicklungsprozesses und entsprechender Rollenbeschreibungen geben die Personen hinter den neu implementierten Rollen Schub: Für Dr. Walter Koch ist der Systems Engineer ein extrem starker Kommunikator – im besten Fall ausgestattet mit einer sehr starken sozialen Kompetenz, um ein interdisziplinäres R&D Team zusammen- und nach vorne zu bringen. Hier gilt es, Menschen aus unterschiedlichen Bereichen und verschiedenen Qualifikationen, dazu zu bringen, ihre Expertise im Team einzubringen und genauso die Belange der anderen Domänen verstehen zu wollen. „Wenn es keinen Resonanzboden findet, verhallt es“, so Koch. Schließlich ist eine ausgewogene, domänenübergreifende Antwort oftmals zielführender, als die des einzelnen Fachbereichs.

Wie sieht nun aber das Profil eines Systems Engineers außerhalb seiner sozialen Kompetenzen und seiner Moderatorenrolle aus? Welchen Hintergrund und Ausbildung sollte er haben, welche Skills sind erforderlich und welches Mindset nötig? Ein Eigengewächs aus dem Unternehmen, das sich mit dem Unternehmen und der betroffenen Produktgruppe gut auskennt, ist natürlich hilfreich. Ob es nun der produkterfahrene Konstrukteur, ein versierter Projektmanager, ein mehr in Funktionsblöcken agierender Elektronikentwickler oder von der Softwarearchitektur her kommender Softwareentwickler ist, spielt hierbei nicht die entscheidende Rolle. Wichtig sind in erster Linie „nur“ zwei Punkte:

  • Der Systems Engineer muss in Funktionen denken – am Beispiel einer Scheinwerferentwicklung:
    „Wie bringe ich Strom zum Leuchten?“
  • Der Systems Engineer ist ein starker Kommunikator
Foto Auto Systems Engineering 900x600
Abbildung: Abbildung: In Funktionen denken oder Wie bringe ich Strom zum Leuchten?

Der große Vorteil

Systems Engineering entfaltet seine volle Leistungsfähigkeit, wenn es über den ganzen Produktlebenszyklus hinweg integriert wird. Das fängt bei der Vorentwicklung und einer Modulentwicklung an und geht über die Produktentstehung mit einem vor- und nachgelagerten „System-Teil“ bis hin zur Industrialisierung oder gar End-of-Life des Produktes weiter – eine Upgrading- und Weiterverwendungsstrategie im Sinne einer Kreislaufwirtschaft mit eingeschlossen.

Die Stärke des Systems Engineering liegt klar in der Möglichkeit, hohe Komplexität während der Produkt-/Systementwicklung zu bewältigen. Unter Berücksichtigung einer geeigneten Modulstrategie, Vorauslegung einzelner Komponenten oder Vorparametrisierung einzelner Parameter im Rahmen einer frühen Simulation mithilfe des modellbasierte Systems Engineering (MBSE) sind zudem kürzere Entwicklungszyklen realisierbar und robustere Startbedingungen für die Entwicklung üblich. Das Erschließen neuer oder breiterer Produktsegmente, die Adaption auf eine größere Produktvarianz sowie das Umfassen eines ganzheitlichen Produktlebenszyklus inklusive Kreislaufwirtschaft ermöglicht die Steigung des Markanteils oder das Erschließen neuer Märkte bis hin zu komplett neuen Geschäftsmodellen.

Wenn gleich die Produkte, das Markumfeld und mit der SE-Einführung verbundenen Ziele bei unterschiedlichen Unternehmen sehr vielfältig sein mögen, so sind die Herausforderungen der Einführung doch oft ähnlich gelagert. Es gilt die Erwartungshaltung und Einführung zu Ende zu denken – ganzheitlich und mit Blick auf